Die Zukunft des ländlichen Raums
Hof mit Zukunft auf dem Mittelhof
Wir waren zu viert (Katja, Rico, Ruth und Kristof) auf dem Mittelhof in der Mecklenburgischen Schweiz. Der Hof befindet sich seit Ewigkeiten in Familienbesitz, heute leben dort 4 Generationen im Alter von 11 bis 96. Ulrike, Maria und Bernd haben sich viel Zeit für Gespräche mit uns genommen und uns Stadtmenschen einen sehr guten Einblick in ihre Lebenswelt vermittelt.
Am Donnerstag nach der Ankunft setzten wir uns erwartungsvoll an den großen Tisch im Ladencafé des Hofladens. Nach einer Vorstellungsrunde bekam ich sehr schnell den Eindruck, dass wir hier im Epizetrum einer energiegeladenen Innovationsgemeinschaft gelandet sind. Zu ihren vielen Projekten gehören neben einem Naturkostladen mit Café das Angebot einer Abo-Kiste mit frischen Waren aus der mecklenburgischen Schweiz, der „Fretbüdel“ (das ist plattdeutsch). Auf dem Hof finden u.A. Yoga, Kinoabende und Nähkurse für Kinder statt. Im Rahmen der Regionalvermarktungsinitiative „Meck-Schweizer“ fördern sie den Vertrieb regionaler Produkte. Mittels einer Business-to-Business Online-Plattform wird das Angebot regionaler Erzeuger für andere Betriebe sichtbar. Auch die logistische Seite wird mit abgedeckt: Auf dem Hof parken mehrere Elektrofahrzeuge. Uns waren gleich die vielen Solarpanele auf den Dächern aufgefallen. Mit der selbstproduzierten Solarenegie werden sowohl die E-Autos geladen als auch die Kühlanlage betrieben.
Landwirtschaftlich zentral ist das Agroforstprojekt. 2023 wurden auf einer zuvor verpachteten und konventionell bewirtschafteten Fläche von 21 Hektar Obst- Nuss- und andere heimische Laubbäume angepflanzt und von einer Windschutzhecke umrandet. Das Agroforstkonzept zielt darauf ab, den Boden vor Erosion zu schützen und die Humusbildung zu fördern. Ulrike zeigte uns den Planungs-Entwurf und erzählte, dass es früher wegen der Hanglage der Fläche zu einem Erdrutsch gekommen war. Die Klimaanpassung der Landwirtschaft bekam so für uns eine sehr greifbare Form.
Unser Tag auf dem Mittelhof begann um 8.00 mit einem gemeinsamen Frühstück, danach ging es an die Arbeit. Bernd hat uns gezeigt, wie der niedliche Kompakttraktor funktioniert, und dann durfte ein begeisterter Rico damit Holz auf den Acker fahren. Inmitten einer blau leuchtenden Kornblumenidylle haben wir zusammen mit der FÖJ-lerin Franka die Bepflanzung durch Markierungspfähle gekennzeichnet, damit die noch kleinen Pflanzen beim Mähen sichtbar sind. Zudem musste die vorgeschriebene Breite des Pflanzstreifens von 3 Metern abgemessen und markiert werden. Ich habe meine Scheu vor Maschinen überwunden und mit einer Akku-Kreissäge Holzpfähle zugesägt und zugespitzt. Diese in den Boden zu schlagen war harte Arbeit, ohne Kristofs präzise Hammerschläge hätten wir sehr viel länger dafür gebraucht. Zum Schluss wurden die Spitzen noch mit Farbe versehen. Stolz konnten wir am 2. Tag dann auf lange Reihen von Pflöcken blicken, ehe wir alle auf der Ladfläche des Anhängers zurück auf den Hof rumpelten.
Deutlich wurde, dass es bei einem solchen Projekt notwendig ist, langfristig zu denken. Bevor auf dieser Fläche zertifizierter Bio-Anbau betrieben werden kann, muss die dreijährige Umstellungsphase abgewartet werden. Ehe Obstbäume nennenswerte Erträge bringen, vergehen weitere Jahre. Ohne Fördergelder wäre auch die Investition in ein solches Vorhaben nicht zu stemmen. Bernd hat durchaus hilfreiche Kenntnisse im Verwaltungswesen und wir mussten irgendwann sehr lachen, als er zum x-ten Mal nebenbei erwähnte, er habe da oder dort einen (Förder-)Antrag gestellt. Perspektivisch steht dabei der Wunsch im Vordergrund positive Auswirkungen auf das Gemeinwohl in einer struktrurschwachen Region zu ermöglichen und Alternativen im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu stärken. Es geht eben nicht nur um einen Hof mit Zukunft, sondern viel mehr um Aspekte des täglichen Lebens und die Zukunft des ländlichen Raums. Ökologie, Ökonomie und Soziales werden ganzheitlich gedacht: Wir haben hier eine Insel der Nachhaltigkeit für Mensch und Natur vorgefunden, die Hoffnung macht.
Noch dazu wurden wir äusserst freundlich empfangen, ich habe mich wirklich rundum wohlgefühlt. Die Hingabe der Familie an uns als Gäste war bemerkenswert. Eine besondere Erwähnung verdient Marias superleckerer Kuchen, den sie täglich für das Café des Hofladens backt. Und mit so etwas wie einem Filmabend im hofeigenen Scheunen-Kino hatte ich nun wirklich nicht gerechnet! Am letzten Abend saßen wir noch lange unterm Sternenhimmel am Lagerfeuer – und ich habe mich im wahrsten Sinne des Wortes geerdet gefühlt.
Ich bin froh und dankbar, dass wir diese Menschen treffen durften, die ihren Visionen und Prinzipien folgen und hoffe, dass es das Projekt „Hof mit Zukunft“ noch lange gibt. Die Tage auf dem Hof waren eine großartige Erfahrung.
Katja Scheel (56), Kristof Klaffke (24), Rico Kranz (49) und Ruth Jansen (20) nahmen vom 13. bis 16. Juni 2024 am immersiven Dialogformat "Hof mit Zukunft" des "Wir haben es satt!"-Bündnisses teil. Sie engagieren sich u. a. bei Foodsharing.
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